Jürgen Retter, die RETERO GmbH ist bekannt für eine präzise Produktion von Kleinst- und Mikroteilen und hat sich längst über die Schweizer Grenze hinaus einen Namen gemacht. Aber beginnen wir doch ganz von vorne: Welche Umstände haben damals zur Gründung des Unternehmens geführt und warum haben Sie sich dazu entschlossen, den Fokus auf den Mikroteilbereich zu richten?
Das war eine ganz spannende und herausfordernde Zeit: Im Jahr 2005, also vor etwas mehr als 18 Jahren, musste die Firma, für die mein Vater mehr als 30 Jahre lang gearbeitet hatte, aus wirtschaftlichen Gründen die Hälfte aller Mitarbeitenden entlassen – unter ihnen war auch mein Vater, damals 62 Jahre alt. Für ihn war klar, dass er aber nicht einfach nur noch die Hände in den Schoss legen, sondern weiterarbeiten würde – und am liebsten wollte er gleich die Abteilung übernehmen, in der er so lange gearbeitet hatte. Gesagt, getan. Und obwohl ich damals noch für eine andere Firma tätig war, haben wir gemeinsam die Abteilung mitsamt der ganzen Maschinerie und Infrastruktur aufgekauft. Bei der anschliessenden Ausrichtung des Dienstleistungsangebots war für mich aus strategischen Überlegungen eine Fokussierung auf die Mikroerosion nur logisch. Gefräst wird an jeder Ecke, aber so richtig kleine Teile – das kann nicht jeder. Daher auch unser Firmenname: Retter und Erosion ergibt zusammengezogen RETERO.
Damals war der Markt für Mikroteile natürlich noch sehr klein, doch für mich war ganz klar, dass der Trend künftig in Richtung Kleinstteile gehen würde. Wir hatten also einerseits die Maschinen, die richtigen Leute und das wertvolle Know-how, andererseits auch die nötigen Nerven und die Geduld – und wir wurden belohnt. Man mag es ein betriebswirtschaftliches Wunder nennen, doch haben wir es innerhalb von fünfzehn Monaten geschafft, die Firma auf eigene, gesunde Beine zu stellen. Durch das stetige Wachstum ist unsere Firma von anfangs zwei auf mittlerweile zehn Mitarbeitende angewachsen und wir konnten unserem Umsatz sage und schreibe verfünffachen.
Was für eine Erfolgsgeschichte! Wo positioniert sich die RETERO GmbH heute im Wettbewerb respektive wie gross ist die Konkurrenz in diesem doch sehr differenzierten Gebiet?
Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Wir sind mit Drahterodieren, Laserschneiden, Fräsen und der Herstellung von Stanz- und Biegewerkzeug in verschiedenen Branchen tätig. Da ist auch die Konkurrenz unterschiedlich gross. Was das Fräsen und die Werkzeugherstellung angeht, sind wir ein Anbieter unter vielen. Daher sind diese Arbeiten zwar toll, für uns aber nicht besonders spannend.
Doch sprechen wir von Mikrobearbeitung mit Drahterodieren, Startlochschiessen und Präzisionsteileherstellung im Laserbereich, dann sind wir ein echter Nischenplayer in einem stetig wachsenden Markt und können aus dem Vollen schöpfen. Hier ist nämlich Know-how gefragt. Und das muss man sich über Jahre hinweg aneignen. Man kann sich nicht einfach eine Maschine kaufen, diese irgendwo hinstellen und mal eben im Markt mitmischen wollen. Wir haben jahrelang ausprobiert, verworfen, angepasst, rumgetüftelt und so lange an unseren Methoden gefeilt, bis wir derart präzise Kleinstteile hinbekommen haben. Heute sind wir z. B. in der Lage, beim Startlochschiessen kleinste Bohrungen von 0.1 mm zu generieren. Und auch mit diesen kleinen Durchmessern ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, wir sind stetig auf der Suche nach Möglichkeiten, um noch kleinere Löcher einbringen zu können.
Es ist erstaunlich, was heutzutage alles möglich ist! In diesem Bereich haben Sie wohl nicht viel Konkurrenz. Was macht Ihr Unternehmen so einzigartig und weshalb sollten sich potentielle KundInnen oder Unternehmen für Sie und nicht für die Konkurrenz entscheiden?
In zwei Bereichen sind wir besonders stark aufgestellt. Einerseits ist dies das Präzisionslaserschneiden, wo wir bei Blechstärken bis zu 1.5 mm kleinste Toleranzen von plus minus 0.01 mm und bei Blechstärken bis 3 mm Dicke Toleranzen von 0.02 mm erreichen. Was wir tun, hat nichts mit Laserschneiden im eigentlichen Sinne zu tun. Bei uns geht es nicht um Massenproduktion, sondern um absolute Präzision.
Andererseits sind wir auch im Feindrahterodieren extrem stark und verfügen über ein sehr breites und tiefes Wissen. Das heisst, wir bearbeiten Kleinstteile mit ganz dünnen Drähten von Durchmessern mit lediglich 0.04 mm bis 0.1 mm und erreichen Toleranzbereichen von plus minus 0.001 mm. Das ist schon sehr beachtlich. Europaweit gibt es nur sehr wenige Betriebe, die beim der Mikrobearbeitung derart enge Toleranzen hinbekommen.
Welche Ereignisse oder Daten sind für Sie ganz besondere Meilensteine – bezüglich des Firmenwachstums, Partnerschaften mit namhaften Kunden oder auch von spannenden Kooperationen?
Ein erster Meilenstein ist für mich sicher die Gründung bzw. das Management-Buyout im Jahr 2005 sowie der gesamte Aufbau der Firma. Das war extrem spannend. Mein Vater kam aus der Fertigung, ich von der anderen Seite als Werkzeugmacher mit einer Ausbildung als Technischer Kaufmann und Betriebswirtschafter.
Was ich als wiederkehrenden Meilenstein empfinde: Das Ziel, beinahe jedes Jahr Investitionen in Form einer neuen Maschine zu tätigen und uns so technisch immer weiterzuentwickeln, ist uns bis zur Pandemie recht gut gelungen. Unsere Kunden stammen vor allem aus den Bereichen Maschinenbau, Werkzeug- und Formenbau, der Schweizer Uhrenindustrie sowie der Ophtalmik, der Augenchirurgie. Bei der letztgenannten Branche ist sicher auch der Patentschutz als grosser Meilenstein zu bezeichnen.
Auch haben wir uns zwei wichtige ISO-Zertifizierungen erarbeitet: 9001, eine Norm für Qualitätsmanagementsysteme und 13485 – sie repräsentiert ein entsprechendes Qualitätsmanagementsystem für das Design und die Herstellung von Medizinprodukten.
Dieses Jahr konnten wir zudem einen namhaften Schweizer Kunden gewinnen, für den wir Bauteile herstellen, die in Beatmungsgeräte eingesetzt werden. Eine erste Charge wird in Kürze geliefert. Das erachte ich als neuesten Meilenstein.
Die Technik entwickelt sich rasend schnell, auch im Bereich der Mikroerosion. Hat sich Ihr Angebot und Know-how im Laufe der Zeit verändert respektive in welchem Bereich fand die grösste (technische) Entwicklung statt?
Diese Frage kann ich kurz und knapp beantworten: Alles wird immer kleiner. Die Baugrösse der anzufertigenden Teile wird immer feiner und kleiner, ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Ich war bereits bei der Firmengründung davon überzeugt, dass der Trend in Richtung Mikroteile gehen würde. Und damit lag ich ganz offensichtlich richtig.
Über welche Maschinen verfügt die RETERO GmbH? Sind Neuanschaffungen geplant, um z. B. noch spezialisiertere, detailliertere Arbeiten anbieten zu können?
Wir besitzen Erodiermaschinen, Fräsmaschinen, Schleifmaschinen, Senkerodier- und Startlochschiessmaschinen, Stanzmaschinen und eine Präzisionslasermaschine für alle Arten von Dienstleistungen, die bei der Herstellung von Klein- und Mikroteilen anfallen. Wir bleiben aber nicht einfach stehen, sondern halten mit der technischen Entwicklung Schritt – daher auch die regelmässigen Neuanschaffungen. Besonders spannend erscheint uns der 3D-Druck und der Feinstlaserbereich, da sind die Anwendungsmöglichkeiten schier grenzenlos. Wir möchten uns aber vor allem auf die Mikrowelt im Metallbereich konzentrieren. Auch werden wir ganz klar die Nische suchen, nicht die Masse.
Ist es bei diesem spannenden Arbeitsfeld überhaupt möglich, die bisher grösste Herausforderung in der Produktion von Kleinstteilen zu benennen? Oder anders formuliert: Was war der bisher speziellste, aussergewöhnlichste oder sonst irgendwie tollste Auftrag überhaupt?
Nun, eigentlich ist jeder einzelne Tag und jeder Auftrag, den wir für unsere Kunden ausführen dürfen, für sich einzigartig und eine spannende Herausforderung. Beim Veredeln und Bauen von Kleinstteilen sind wir täglich am Tüfteln, Ausprobieren und Einspannen – das macht das Ganze ja auch so unglaublich abwechslungsreich und interessant. Der aussergewöhnlichste Auftrag? Wir haben vor einigen Jahren von einer amerikanischen Firma den Zuschlag für die Herstellung von zehn verschiedenen Tools für die Bearbeitung von Medizinalinstrumenten erhalten. Das war echt toll! Dieser Auftrag war für unsere Firma bis heute der grösste Einzelauftrag den wir ausführen durften.
Dem Fortschritt sind kaum Grenzen gesetzt. Für den Unternehmenserfolg ist es jedoch unabdingbar, Team, Maschinen und Infrastruktur stets auf dem neuesten Stand zu halten. Welche Themen werden Sie und Ihre Kunden in den kommenden Jahren beschäftigen?
Uns wird sicher – aufgrund der demographischen Entwicklung der Menschheit – der Bereich der Ophtalmik weiterhin stark beschäftigen. Je älter die Menschen werden, desto häufiger werden auch altersbedingte Augenoperationen notwendig werden. Dieser Bereich verzeichnet ein starkes Wachstum. Und wir bei der RETERO GmbH sind diesbezüglich bestens für die Zukunft gerüstet.
Meine beiden Söhne sind sehr technikaffin. Der jüngere ist Polymechaniker und absolviert zur Zeit die Technikerschule. Es ist jetzt schon klar, dass er später einmal in die Firma einsteigen wird. Der ältere bestreitet sei Herbst 2021 ein Studium als Wirtschaftsingenieur. Auch er zeigt grosses Interesse am elterlichen Betrieb, aber er wird sicherlich nach dem Studium die weite Welt des Geschäftens erkunden wollen und sich so die nötige Erfahrung erarbeiten. Natürlich freuen wir uns alle in der Familie, wenn er eines Tages einsteigen will. Sie werden beide sicher wichtige Inputs und Ideen an mich herantragen oder diese gleich selber umsetzen. Auch wird es immer wieder nötig sein, neue, noch ausgefeiltere und präzisere Maschinen anzuschaffen. Und wie schon erwähnt, verfolgen wir auch gespannt die Entwicklungen im 3D-Druck-Bereich. Und doch darf man etwas Wichtiges bei all der Technik nicht vergessen: Auch die besten Maschinen nützen nichts, wenn man sie nicht richtig zu bedienen weiss. Und das geht nur, wenn man sich ausführlich und mit Herzblut mit der Materie auseinandersetzt und zudem einen gewissen Tüftlergeist besitzt. All dies gelingt auch nur, wenn man fachlich und menschlich gute Mitarbeiter/innen im Team hat. Die Mitarbeiter/inne bilden mit ihrem Know-How und Einsatz den wichtigsten Pfeiler des Erfolges der Firma. Zum Glück verfügen wir über ein tolles Team mit viel Wissen und wir freuen uns auf die Herausforderungen, die noch auf uns warten.
Was für ein tolles, starkes Schlusswort! Jürgen Retter, vielen herzlichen Dank für dieses Interview.
Retero GmbH
Stadtweg 24
8245 Feuerthalen
Schweiz